Sabine Hurni über …Zähneknirschen

Lust auf ein Experiment? Lassen Sie den Unterkiefer ein wenig hängen, sodass die Lippen geschlossen bleiben. Stellen Sie sich vor, an den beiden Kiefergelenken hängen Gewichte, die den Unterkiefer runterziehen. Jetzt klopfen Sie eine Minute lang mit den Fingerkuppen sanft auf Kiefergelenk, Wange und Kaumuskulatur. Beobachten Sie den Körper. Vermutlich werden Sie feststellen, dass Sie entspannter sitzen und tiefer atmen.

Der Kiefer ist das Zentrum eines Regelwerkes, das Einfluss auf den ganzen Körper hat. Er steuert die Muskulatur des Kopfes, des Nackens und des Rückens. Ja sogar der Beckenboden hat einen Einfluss auf den Kiefer und umgekehrt. Die Kaumuskeln gehören zu den stärksten Muskeln des menschlichen Körpers und bringen beim Kauen einen Druck von rund 20 bis 40 Kilogramm auf die Zähne. Beim nächtlichen Zähneknirschen ist der Druck bedeutend höher – hier reden wir von 200 Kilogramm und mehr! 

Dreh- und Angelpunkt der Nerven
Dass wir die Zähne aufeinanderbeissen, obwohl keine Nahrung im Mund ist, hängt damit zusammen, dass viele Nervenbahnen aus der motorischen Hirnrinde in das Kiefergelenk fliessen. Viele Schmerzrezeptoren sitzen im und um das Kiefergelenk, genauso wie die Rezeptoren des Emotionszentrums im Gehirn, dem limbischen System. Verarbeitet das Gehirn also Reize und Emotionen, so hat dies einen Einfluss auf den Kiefer. Wenn 200 Kilogramm auf den Zähnen lasten, leiden nicht nur die Zähne, sondern der ganze Körper. Kopfschmerzen können auftreten, Nackenverspannungen, Rückenschmerzen, ein verspannter Beckenboden, die Atmung ist weniger frei und auch auf die Muskulatur der Augenpartie hat das Knirschen einen Einfluss. Zum Schutz der Zähne tragen viele Betroffene in der Nacht eine Zahnschiene. Das eigentliche Problem, die innere Anspannung, der enorme Druck, der stille Schrei und der innere Unfriede sind dadurch jedoch nicht gelöst. Spirituell betrachtet wollen beim Zähneknirschen Emotionen transformiert werden, die eigenen Ziele und der Drang nach Perfektion sind zu hoch. 

Die Lösung? Druck loslassen
Für einen liebevollen Umgang mit sich selbst sollten die Betroffenen lernen, im Hier und Jetzt, mit den momentanen Möglichkeiten, in kleinen Schritten das Mögliche zu tun. Die Zahnschiene ist ein Schutz der Zähne, doch um den inneren Druck zu reduzieren, sind tiefere Entscheidungen nötig. Viele Leute haben Stress im Job, in der Familie oder mit sich selbst. Das Leistungsdenken ist hoch, Perfektion auf allen Ebenen wird angestrebt. Viele Dinge, die zu erreichen versuchen, betreffen die Zukunft, das Aussen oder die Frage, was andere von uns denken. 

Im gegenwärtigen Moment sind diese Aspekte jedoch nicht wichtig – der beste Freund ist jener, der mir jetzt gegenübersitzt und zuhört. Das beste Essen ist jenes, das mich hier und heute nährt und die ehrlichste Liebe ist jene, die mich so annimmt wie ich bin. Das gilt auch – oder vor allem! – für die Liebe zu uns selbst.

Im Film von und über Dalai Lama «Wisdom of Happiness» spricht Seine Heiligkeit über den inneren Frieden als ein Zustand, der jeder Mensch mit der Kraft seines Willens in sich selbst kultivieren kann. Um ihn zu erreichen, bedarf es allerdings den tiefen, inneren Entschluss in Frieden mit sich selbst zu leben, zu handeln und zu sprechen. Es ist eine Lebenshaltung, die tief geht und trotzdem entwaffnend einfach ist. Die Feinde kommen nicht von aussen, zumindest nicht bei uns in der Schweiz. Sie kommen von innen. Es sind die inneren Dämonen, die uns antreiben, vernichten, bewerten und verhöhnen. Wer es schafft, ihnen inneren Frieden entgegenzubringen wird sich nach und nach mit diesen Feinden aussöhnen. Wo sich der innere Frieden breit gemacht hat, ist kein Platz mehr für Wut, Zorn, Kontrolle und Druck. 

Um vor dem Schlafengehen in diese innere Ruhe und in ein friedliches Gefühl zu kommen, sind sämtliche gängige Entspannungsmethoden geeignet. Ein Fussbad, ein Abendspaziergang, eine Tiefenentspannung auf der Yogamatte, eine Tasse Tee im Licht der Kerze, ein Reflektieren des Tages mit Hilfe des Tagebuches oder auch einfach dasitzen, aus- und einatmen, den Atem halten und wieder ausatmen. Aussen kann die Welt in die Luft gehen, doch im Inneren muss Frieden herrschen. Wir müssen den Entscheid fällen, dass in unserem Kern Frieden herrscht.

Die Muskeln ENT-spannen
Wie jede Muskelpartie möchte auch die Kaumuskulatur immer mal wieder gedehnt und massiert werden. Im Internet finden Sie zahlreiche Übungen zu diesem Thema. Mit der Entspannung des Kiefers werden viele weitere Körperpartien warm und locker. Vor allem das Becken. Der Kiefer hat eine Verbindung zum Becken und umgekehrt. Machen Sie morgens und abends im Bett folgende Übung: Beine anziehen und die Fussflächen aufeinanderlegen, sodass die Beine sich spreizen und die Knie links und rechts in Richtung Matratze sinken. Ruhig aus- und einatmen, Atem halten und wieder ausatmen. Warten, dass die Knie immer weiter nach aussen fallen. Diese Übung kann dabei helfen, Verspannungen zu verhindern und das Becken, wie auch indirekt die Kiefermuskulatur, zu entspannen.

 


Sabine Hurni arbeitet als Naturheilpraktikerin und Lebensberaterin in Baden, wo sie auch Ayurveda-Kochkurse, Lu Jong- und Meditationskurse anbietet.

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