Sabine Hurni über das Zentriert sein
Haben Sie schon mal ein Gefäss aus Ton auf einer Drehscheibe geformt? Was bei Profis so überaus elegant aussieht, ist in Tat und Wahrheit eine Achtsamkeitsschule sondergleichen. Ist der Ton auch nur ein bisschen ausserhalb der Mitte, fliegt die feuchte Erde in hohem Bogen durch die Luft oder nimmt, gut angeklebt auf der Scheibe, schlingernde Formen an. Jeder Handgriff erfordert ein Maximum an Präsenz und der kleinste Fehler bringt den Ton sofort aus der Balance. Zentrierung erfahren wir bei vielen Präzisionsarbeiten und Tätigkeiten, die absolute Konzentration erfordern. Sei es in der Meditation, beim Tanzen oder im Yoga. Damit es gelingt, muss der Fokus im Hier und Jetzt sein. Oft halten wir uns dabei aufgerichtet. Beim Meditieren ist der Rücken gerade und der Kopf leicht gesenkt. Beim Tanzen ist der Brustkorb geöffnet und die Wirbelsäule lang gestreckt. Ebenso beim Yoga, wenn die Balance auf einem Fuss stehend gehalten werden muss.
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Im Zentrum unseres Körpers und somit auch im Zentrum unseres Lebens steht immer die Wirbelsäule. Wie bei einem Baum, der über den Stamm, die Baumkrone und die Wurzeln zwischen Himmel und Erde verbunden ist, so sind wir Menschen über die Wirbelsäule mit den Füssen und dem Scheitel verbunden. Wir stehen aufrecht mit den Füssen auf dem Boden und spüren über unserem Kopf die unendliche Weite des Himmels. Mal angenommen, wir sind uns unserer Wirbelsäule permanent bewusst, indem wir sie uns vorstellen als stützende Haltgeberin, als Verbindungslinie zwischen Mutter Erde und Vater Sonne, sowie als energetischen Kanal zwischen Kopf und Füssen. Stellen Sie sich vor, jeder Mensch würde sich auf diese Weise als Lebewesen wahrnehmen, das mit sich selbst verbunden ist und gleichzeitig mit den übergeordneten Kräften der Natur und der Elemente. Es wäre eine Präsenz, die über das Körperliche hinausgeht und in vieler Hinsicht hilfreich, heilsam und tröstlich wäre. Fernab von Religion und Esoterik, sondern allein dank dem Verständnis und dem Bewusstsein, dass die Wirbelsäule eine aufrechte Achse ist, durch die unsere Lebensader fliesst.
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Je näher die Aufmerksamkeit bei der Wirbelsäule ist, desto ruhiger ist der Geist. Was wir in Achtsamkeit tun, führen wir in der Regel langsam und ruhig aus. Je weiter ein Körperteil von der Wirbelsäule entfernt ist, desto grössere Bewegungsradien sind möglich. Denken wir nur an die Hände und Füsse, die Beine und Arme. Sie sind verantwortlich für alle Bewegungsaktivitäten des Körpers. Solange wir über die Wirbelsäule mit den Händen und Füssen in Verbindung sind und diese achtsam wahrnehmen, kommen alle Aktivitäten irgendwo aus dem Zentrum unserer eigenen Kraft. Verlieren wir hingegen die Verbindung zur Mitte, ist die Energie mehr in den Händen, die tun und den Füssen, die herumrennen. So geht es uns wie dem Klumpen Ton auf der Drehscheibe eines Anfängers. Es schleudert uns herum, wir sind im Aussen, zu schnell unterwegs, atemlos und getrieben. Machen Sie die Wirbelsäule zum stillen Zentrum Ihres täglichen Tuns. Drehen Sie sich um die eigene Achse wie eine grazile Tänzerin – konzentriert und doch beweglich.
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Doch was, wenn uns der Alltag zu erdrücken droht? Wenn die Anerkennung für die täglichen Tätigkeiten fehlt und das schale Gefühl aufkommt, sehr allein zu sein und alles selbst tragen zu müssen? Nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen benötigen Lob und Anerkennung. Leider ist es oft so, dass im Alltag genau diese Bestätigung fehlt und latent das Gefühl da ist, nicht zu genügen. Um gesehen und anerkennt zu werden, verausgaben sich viele Menschen im Beruf oder im Privatleben bis zur Erschöpfung, was jedoch nicht die Lösung ist. Der Mangel an Unterstützung, oder zumindest das Gefühl der fehlenden Hilfe, auf einer tiefen seelischen Ebene kann sich in Rückenproblemen zeigen. Der Mensch in seiner Emotionalität und Weichheit braucht andere Menschen um zu leben. Wir helfen einander, schwere Lasten zu tragen, uns geborgen zu fühlen und Ruhe zu finden. Menschen benötigen Zuspruch, Lob und Anerkennung um die Unterstützung zu bekommen, die sie sich wünschen. Fangen Sie an, Ihren Mitmenschen zuzuhören. Interessieren Sie sich ehrlich und aufrichtig für die Menschen und ihre Geschichten in Ihrer Umgebung. Machen Sie ernst gemeinte Komplimente und drücken Sie Ihre Bewunderung aus für eine geleistete Arbeit. Eine solche Haltung hilft allen – den Personen, die das Lob empfangen und jenen, die es aussenden.
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Eine unterstützende Haltung dem Umfeld gegenüber schafft eine gute Atmosphäre und kitzelt ein enorm wichtiges Grundgefühl wach – das Vertrauen. Nichts gibt so viel Zentriertheit und Mut wie die Gewissheit, dass das Leben hinter Ihnen steht. Sicherheit können wir nicht im Aussen finden. Sicherheit, das Gefühl, in Sicherheit zu sein, hat nichts zu tun mit finanzieller Sicherheit. Viele materielle Dinge, durch die wir uns sicher und geschützt fühlen, können wir jederzeit verlieren. Was wir hingegen im innersten stärken müssen, ist das Vertrauen und das Gefühl, in Sicherheit zu sein. Das kann und muss jeder Mensch in sich selbst generieren. Mit Hilfe der Verbindung zu sich selbst, der Verbindung zu den übergeordneten Elementen und der Verbindung zum Leben. Treffen wir uns dort, wo die Zeit stillsteht! Treffen wir uns dort, wo Aufrichtigkeit, Sicherheit und Geborgenheit herrscht! Jeder und Jede in der Mitte der eigenen Lebens-Dreh-Scheibe, der Körperachse, der Wirbelsäule.