Eine zahnige Angelegenheit
Das Gürteltier ist das Säugetier mit den meisten Zähnen, Schnecken haben ihre Zähne auf der Zunge, ein Hai kann in seinem Leben bis zu 30 000 Zähne haben. Die Zahnwelt der Tiere ist so vielfältig wie die Arten selbst. Ein Annäherungsversuch.
Rebekka Affolter
Erst letzte Woche stand der jährlich immer mehr gefürchtete Gang zum Zahnarzt an. Dieses Mal die perfekte Gelegenheit, um über die Arbeit nachzudenken. Wobei es nicht um unsere Zähne, sondern um die der Tiere geht. Haben sie eigentlich auch Probleme mit ihren Zähnen? Müssen sie sie auch putzen? Unser Familienhund jedenfalls ja – oder besser wir ihr. Wie sieht’s mit wilden Tieren aus? Ist Zähne putzen ein menschengemachtes Problem – beziehungsweise eine Lösung dafür?
Katzen haben ein typisches Raubtiergebiss mit markanten Eckzähnen.
Das Fazit schon mal vorneweg: Karies kommt bei wilden Tieren weniger vor als bei Menschen – zumindest, «wenn sie nicht an menschengemachtes Essen gelangen», erklärt Anne-Claire Fabre, Säugetierkuratorin am Naturhistorischen Museum Bern. Verarbeitete Nahrungsmittel und Zucker sind ein häufiger Grund für Karies. Wenn wir also dem bettelnden Blick unserer treuen Begleiter nicht widerstehen, können auch Haustiere Probleme damit haben. Bei wilden Tieren hingegen kommt Karies weniger häufig vor.
Richtige und falsche Zähne
Aber von vorne. Was sind Zähne eigentlich genau? Sogenannte «echte» Zähne bestehen aus Schmelz (Enamelum), Dentin und Zement sowie dem Zahnmark (Pulpa), schreibt die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft. Echte Zähne kommen meist bei Wirbeltieren vor, Vögel hingegen habe keine, Amphibien eher selten. Bei Letzteren finden sich eher primitive wurzellose Zähne – diese fallen dann in die Kategorie «unechte» Zähne. Achtung: Nicht das Gleiche wie künstliche Zähne.
Bei «unechten» Zähnen fehlt der Schmelz, das Dentin und der Zement. Während man bei echten Zähnen die Zahnarten nach Stellung im Gebiss unterscheidet – dazu kommen wir gleich – gibt es hier zahlreiche verschiedene Zahnformen. Die Giftzähne von Schlangen, das Revolvergebiss von Haien oder die Pflasterzähne von Fischen fallen alle in dieselbe Kategorie. Bei Säugetieren gibt es vier Arten: Schneidezähne, Eckzähne, Vormahlzähne und Mahlzähne. Zudem unterscheidet man zwischen dem Milchgebiss und dem bleibenden Gebiss.
«Bieber fällen Bäume mit ihren eisenverstärkten, orangefarbenen Zähnen.»
Dass Zähne ein Leben lang bleiben, ist nämlich nicht selbstverständlich. Tiere wie Haie wechseln sie ständig. Daher der Name Revolvergebiss: Sie werden «nachgeladen». Je nach Art verfügen die Tiere über mehrere Zahnreihen. Fällt ein Zahn aus oder bricht ab, klappt einfach ein neuer Zahn nach vorne. Dass ihre Zähne regelmässig ausfallen, kommt der nicht vorhandenen Zahnwurzel zu Schulde.
Das Nilkrokodil beisst mit 13,5 Kilonewton (1,38 Tonnen) zu, amerikanische Alligatoren mit 22 (2,24 Tonnen) und Leisten- oder Salzwasserkrokodile sogar mit knapp 40 Kilonewton (4,08 Tonnen)
Form folgt Funktion – oder umgekehrt?
Zwei weitere Fachwörter zum Thema Zähne: heterodont und homodont. Mit Ersterem beschreibt man häufig die Gebisse von Säugetieren, die aus verschiedenen Zähnen bestehen. Aber nicht immer: Delfine beispielsweise haben ein homodontes Gebiss. Das bedeutet, dass ihr Gebiss aus denselben Zähnen besteht. Wie eben auch beim Hai.
So unterschiedlich Zähne auch sein können, eines haben sie gemeinsam: Die Form sagt einiges über die Funktion aus. «Zeig mir deine Zähne und ich sage dir, was du isst», sagt Fabre. In ihrer Meinung das Schöne an ihnen. Während Fleischfresser Zähne haben, sind bei Pflanzenfressern die Zähne breit und flach – perfekt, um widerspenstige Pflanzen zu zermahlen. Allesfresser hingegen besitzen eine Mischung aus beiden. Wie der Mensch: flache Backenzähne, scharfe Eckzähne. Die Anzahl der Zähne variiert von Tierart zu Tierart.
Mehr als nur Beisser
Zähne können aber nicht nur zur Nahrungsaufnahme gebraucht werden. «Viele Tiere wie Katzen tragen ihre Jungen im Maul herum», erklärt Fabre. Hunde fletschen ihre Zähne, um Artgenossen zu warnen, sie nicht zu provozieren. Viele männlichen Säugetiere beissen zudem ihre Partnerinnen während dem Geschlechtsverkehr, Walrosse duellieren sich mit ihren Stosszähnen, um Weibchen zu gefallen.
Die Vorderseiten der Biberzähne sind zusätzlich mit Eisen und Eisenverbindungen verstärkt, weshalb die Zähne von Bibern vorne oftmals orange-rot gefärbt sind.
Elefanten brauchen ihre Stosszähne nicht nur für die Verteidigung, sondern auch um nach Salz oder Wurzeln zu graben, Bäume zu entrinden oder sich einen Weg durch den Busch zu bahnen. Bieber fällen sogar Bäume mit ihren Zähnen. Damit sie dafür stark genug sind, sind ihre Zähne mit Eisen durchzogen – daher auch die leicht orange Färbung. Lemuren hingegen brauchen ihre Zähne etwas sachter: zum Bürsten und Putzen.
Apropos speziell: Das Horn des Narwals ist auch ein Zahn. Ein übergrosser, spiralisierter Zahn, aber ein Zahn. Und nur einer von zwei, die er in seinem Leben besitzt. Zudem ist dieser auch sehr sensibel: Bis zu zehn Millionen Nerven enden dort. Aber: Meist sind es nur die Männchen, die solche Zähne entwickeln. Wenn Weibchen solche Zähne bekommen, fallen sie oft aus. Übrigens: Das Horn des Nashorns ist effektiv ein Horn und kein Zahn.
Einer der berühmtesten Zähne ist wohl der Säbelzahn – nach dem auch der Tiger aus der Urzeit benannt ist. Während der Zahn im Grunde optimiert wurde, um Beute zu erledigen, weist er doch einen fatalen Fehler auf: «Vermutlich waren sie sehr zerbrechlich», schreiben Forschende in «Current Biology». Raubtiere brauchen zwar scharfe Zähne – sie müssen aber auch stark sein. Während der Säbelzahn vermutlich der beste Zahn für die Erlegung von Beute war, opferte er dafür seine Haltbarkeit.
Kein Zahnarzt, aber…
Tiere können also auch Probleme mit ihren Zähnen haben. Wie am Anfang erwähnt, ist Karies aber definitiv eher ein menschengemachtes Problem. Weil ihre Nahrung nicht verarbeitet ist und keinen Zucker enthält, müssen sich wilde Tiere schon mal viel weniger Sorgen machen. Trotzdem haben sie ihre Methoden, um sich um ihre Zähne zu kümmern: Viele Tiere kauen auf Stöcken oder Ästen herum, bei Elefanten muss Rinde zu diesem Zweck herhalten. Andere wiederum verlassen sich auf Gras als Zahnreiniger. Betreffend Zahnpflege gibt es aber auch einige Mythen.
«Zeig mir deine Zähne und ich sage dir, was du isst.»
Krokodile sollen sich von mutigen Vögeln – den Krokodilwächtern – die Zähne putzen lassen. Daher auch der Name. Wissenschaftlich konnte dieses Verhalten der Vögel allerdings noch nicht bestätigt werden. Während dieser Artikel ein erster Einblick in die Zahnwelt der Tiere ist, gibt es noch zahlreiche weitere interessante Fakten zu entdecken.
Wie auch Sprichwörter rund um diese Welt. «Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.» Eigentlich offensichtlich, aber noch nie zuvor überlegt: Das Sprichwort spielt auf das Gebiss der Pferde an. Nämlich erkennt man an den Zähnen, wie alt ein Pferd ist. Je flacher die Zahnreihen des oberen und des unteren Kiefers, desto älter ist das Tier. •