«Sonnenhäuser werden zu 80 Prozent mit Sonne geheizt»

Die warme Kraft der Sonne für kalte Tage speichern. Das ist kurzgefasst der Kern der Philosophie und auch des Geschäftsmodells der Jenni Energietechnik AG in Oberburg BE. Tabea Bossard-Jenni, Mitglied der Geschäftsleitung, erläutert im Interview, wie es dazu kam und was darunter zu verstehen ist.


Interview: Samuel Krähenbühl


«natürlich»: Die Jenni Energietechnik AG ist Hersteller von Solar- und Heizungsspeichern. Was ist die Philosophie des Unternehmens?
Tabea Bossard-Jenni: Wir wollen einen Beitrag zur Energiewende und insbesondere zur Nutzung der natürlich vorhandenen Wärme der Sonne leisten. Wir wollen unseren Kunden helfen, saubere, erneuerbare Energie zum Heizen, aber auch zur Stromversorgung zu verwenden. Auch die Reduktion der Auslandsabhängigkeit bezüglich Energie ist ein Ziel.

Die Firma Jenni ist bekannt für ihre «Sonnenhäuser». Was ist darunter zu verstehen?
Das erste Sonnenhaus steht hier bei uns auf dem Firmenareal in Oberburg. Es wurde 1989 von meinem Vater Josef und meinem Onkel Erwin Jenni konzipiert. Die Idee dahinter war, eine 100-prozentige energetische Unabhängigkeit bezüglich Wärmeenergie, aber auch punkto Elektrizität, zu erreichen. Dies wurde mit Sonnenkollektoren und Photovoltaikzellen zur Energieerzeugung und mit einem Wärmespeicher sowie Elektrobatterien angestrebt. Damals hat fast niemand daran geglaubt. Mein Vater Josef Jenni und mein Onkel Erwin Jenni waren aber überzeugt, dass das technisch funktioniert. Sie haben Investoren gesucht und gefunden. So konnten sie das Haus bauen.

Und wurde das Ziel erreicht?
Ja. Unser erstes Sonnenhaus war während zehn Jahren zu 100 Prozent energetisch unabhängig. Thermisch wie elektrisch. Nach zehn Jahren waren die Batterien am Ende der Lebensdauer. Die haben wir dann aus Kostengründen, aber auch aus Umweltgründen nicht ersetzt. Das Heizwärmesystem ist aber noch immer das gleiche und das Haus erzeugt ca. vier Mal mehr Heizenergie, als es selbst braucht. Denn um auch gegen Kältewellen abgesichert zu sein, wurde der Wärmespeicher zu gross konzipiert. Die Folge war, dass bereits nach dem ersten Winter zu viel Energie vorhanden war. Mein Vater und mein Onkel haben daraufhin ein Schwimmbad gebaut, das mit der überschüssigen Wärme geheizt wurde. Das Ganze wurde mit einem Schwimmbadfest gefeiert und damit wurde der ganzen Fachwelt bewiesen, dass Saisonspeicherung von Solarenergie möglich ist.

Hat Ihre Firma dann weitere solche Häuser gebaut?
Aus den Erfahrungen des Oberburger Sonnenhauses wurde das Konzept punkto Energie und Wirtschaftlichkeit optimiert. Beim Pionierobjekt stand die technische Machbarkeit im Vordergrund. Eine dermassen grosse Überdimensionierung der Anlage ist aber nicht wirtschaftlich, weil eben immer eine Reserve für extreme Wetterlagen eingeplant werden muss. Unseren Kundschaft empfehlen wir, auf 80 bis 90 Prozent Solaranteil bei der Heizenergie zu gehen, und den Rest mit Holzenergie zu ergänzen. In dieser leicht modifizierten Form haben seither unzählige Kund*innen solche Sonnenhäuser realisiert, die wir mit Komponenten beliefert haben. Von Sonnenhäusern sprechen wir, wenn die thermische Abdeckung der Heizenergie zu mindestens 50 Prozent oder mehr auf Sonnenwärme basiert. In den demnächst fünfzig Jahren Geschäftstätigkeit haben wir bald 30 000 Wärmespeicher hier in Oberburg gebaut und ausgeliefert.


Sind also Sonnenhäuser Minergiehäuser?
Ein Sonnenhaus ist immer ein Niedrigenergiehaus, aber nicht zwingend ein Minergiehaus. Wir haben für unsere Firma selbst bald sechs Mehrfamilienhäuser gebaut. Nur eines davon nach Minergiestandard. Grund für den Verzicht auf die Bauweise nach Minergie sind die vielen Auflagen, zum Beispiel die Belüftung und die damit verbundenen Kosten. Der Grundgedanke, dass ein Sonnenhaus ein Niedrigenergiehaus sein soll, wird aber konsequent umgesetzt.

Sie konzipieren sowohl Sonnenkollektoren für Heizenergie wie auch Photovoltaik für die Stromproduktion an. Ein Dach hat aber eine begrenzte Fläche. Haben beide nebeneinander Platz?
Ja, das geht miteinander. Wir haben schon immer neben der Wärmnutzung auch Photovoltaik konzipiert. Die Priorität legen wir klar auf die Wärmenutzung, da ein Haushalt ca. 80 % der Energie als Wärme bezieht. Zudem eignet sich Solarstrom auch zum Nachrüsten.

Für welche Gebäude eignet sich das Heizsystem mit Sonnenkollektoren und Wärmespeichern?
Das Sonnenhauskonzept ist besonders für Neubauten geeignet. Bei bestehenden Gebäuden dienen thermische Solaranlagen aufgrund der vorgegebenen Platzverhältnisse der Warmwasseraufbereitung und Heizungsunterstützung. Denn der Wärmespeicher braucht doch etwas Platz und sollte im Optimalfall irgendwo im beheizten Raum liegen, damit die Wärmeverluste im beheizten Raum bleiben. Beim Sonnenhauskonzept geht der Speicher im Idealfall vom Keller bis unters Dach. Das geht am besten bei Neubauten. Bei bestehenden Gebäuden und begrenzten Einbringwegen bieten wir die Möglichkeit, den Speicher an Ort und Stelle zu Schweissen.


Mitten im Firmengelände steht das allererste Sonnenhaus, das seit 1989 ausschliesslich
mit Sonnenenergie geheizt wird.

 

Wie sieht es bei den Kosten für ein solches Heizsystem aus?
Man muss zwischen den Einmalkosten für die Investition und den wiederkehrenden Kosten für den Betrieb unterscheiden. Grundsätzlich ist es so, dass auch andere Heizsysteme kosten. Und die Heizverteilung braucht es ja ohnehin. Das Delta, also der Unterschied bei den Investitionskosten zu einem anderen Heizsystem betragen etwa 40 000 Franken bei einem Einfamilienhaus. Dafür sind die wiederkehrenden Kosten im Betrieb minim. Es braucht einzig eine Umwälzpumpe, die etwas Strom braucht. Aber mit einer Kilowattstunde Strom kann man 100 Kilowattstunden Wärme gewinnen. Das ist im Vergleich etwa zu Luftwärmepumpen sehr viel. Auch der Unterhalt ist nicht teuer. Je nachdem wie geschickt die Kund*innen sind, können sie allfällige Störungen sogar selbst beheben.

Wie lange ist die Lebensdauer Ihrer Heizsysteme?
Wir erwarten, dass der Speicher bei richtiger Behandlung mindestens 50–70 Jahre im Einsatz bleibt oder die Lebensdauer des Gebäudes sogar überdauert. Unsere Firmenerfahrung beschränkt sich auf den Zeitraum seit 1976, die Branchenerfahrung geht aber über dies hinaus. Bei den Sonnenkollektoren gehen wir von mindestens 30 Jahren und mehr aus. Wir haben welche im Einsatz, die 40-Jährig sind. Die Kollektoren auf unserem ersten Sonnenhaus beispielsweise sind 35-jährig.

 

Tabea Bossard-Jenni (*1988) ist die Tochter von Firmengründer Josef Jenni. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich fürs Personalwesen. Sie ist verheiratet. Zur Familie gehören zwei Kinder. Sie ist zudem Berner Grossrätin für die EVP.

 

Das Traumpaar: Sonne und Holz

Wer heute vor dem Entscheid für eine neue Heizung steht, fragt sich: Welches System liefert auch in 20 Jahren noch zuverlässig und bezahlbar Wärme, und dies möglichst ohne CO2-Ausstoss?

Mit Solarstrom aus Photovoltaik-Anlagen betriebene Wärmepumpen können Wärme für Raumheizung und Warmwasser bereitstellen. Gerade im Winter aber muss vermehrt Strom aus dem Netz bezogen werden, weil der Ertrag der PV-Module dann reduziert ist. Wärmepumpen-Systeme erhöhen also gerade bezüglich Versorgungssicherheit heiklen Winterzeit den Strombedarf.

Genau hier können Solarwärme-Systeme mit Saisonspeicher punkten: Die im Wärmespeicher eingelagerte Solarwärme kann auch an kalten trüben Wintertagen direkt genutzt werden für Raumheizung und Warmwasser. Benötigt wird nur eine geringe Menge Elektrizität für Umwälzpumpe und Steuerung. Will die Schweiz ihre Klimaziele erreichen, gehört die systematische Nutzung der Solarwärme zwingend dazu. Zur direkten Wärmegewinnung aus Solarenergie werden Sonnenkollektoren eingesetzt. Meistens werden verglaste Flachkollektoren verwendet. Die in den Kollektoren aufgenommene Solarwärme wird über einen hydraulischen Kreislauf via Wärmetauscher in einem Wasser-Wärmespeicher zwischengespeichert und zur Erwärmung des Warmwassers und nach Bedarf für die Raumheizung eingesetzt.

Bei gut gedämmten Gebäuden mit einem grösseren Wärmespeicher (Saisonspeicher) kann die Solarwärme auch im Winter einen beträchtlichen Teil des Wärmebedarfs für Warmwasser und Raumheizung abdecken. Zur Begrenzung und Optimierung des Speicherinhalts kann z. B. ein Stückholzofen eingesetzt werden zur Abdeckung der Wärmebedarfsspitzen im Winter. Die Argumente für die energetische Nutzung von Holz überzeugen: Holz ist erneuerbar. In einem nachhaltig genutzten Wald wächst gleich viel Holz nach wie herausgeholt wird. Holz verbrennt CO2-neutral, denn bei der Verbrennung wird gleich viel CO2 frei wie beim natürlichen Zersetzungsprozess. Diese Menge CO2 wurde beim Pflanzenwachstum im Holz eingelagert.


Solarpionier aus dem Emmental

Josef Jenni (*1953), der Vater von Tabea Bossard-Jenni, ist einer der bekanntesten Solarpioniere. Seine Firma, die heutige Jenni Energietechnik AG gründete er 1976. Seit 1983 stellt sie Solarspeicher in Oberburg bei Burgdorf in der Schweiz her. Dass es möglich ist, ein Wohnhaus ausschliesslich durch Solarthermie zu beheizen, wies Jenni mit der Errichtung des ersten Solarhauses 1989 nach. 2005 entstand sein erstes Mehrfamilien-Solarhaus. Heute beschäftigt die Firma rund 80 Personen, ist jedoch noch immer als Familienunternehmen aufgestellt. Neben dem Firmengründer Josef Jenni, sind dessen Frau Karin, Sohn Josef Jenni junior und Tochter Tabea Bossard-Jenni in der Firmenleitung tätig.

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