Die grausige Geschichte der Waterloo-Zähne

Nach der Schlacht von Waterloo im Jahr 1815, bei welcher der französische Kaiser Napoleon I. endgültig besiegt wurde, kamen Berichte auf, dass die Zähne der gefallenen Soldaten gestohlen und später für die Herstellung von künstlichen Zähnen verwendet wurden.

Samuel Krähenbühl

Im 18. und 19. Jahrhundert war es in Europa üblich, Zähne aus verschiedenen Quellen zu verwenden, um Prothesen oder Gebisse herzustellen. Die damaligen Zahnersatzmaterialien waren noch weit von den modernen Materialien wie Kunststoff oder Keramik entfernt, und daher griff man auf menschliche Zähne zurück. Diese Zähne wurden entweder von Verstorbenen entnommen oder, in einigen Fällen, durch Diebstahl von Toten oder auch von lebenden Menschen beschafft, die sich von ihren Zähnen trennten (oft gegen Bezahlung).

Die «Waterloo-Zähne»
Nach der Schlacht von Waterloo im Jahr 1815 (siehe Kasten) begannen Berichte, dass Zähne von gefallenen Soldaten entnommen wurden. Es war nicht unüblich, dass Menschen in Europa diese Zähne, die oft als besonders wertvoll galten, für künstliche Zähne oder für Zahnprothesen verwendeten. Es gibt Berichte, dass einige der Zähne, die in jener Zeit gesammelt wurden, in London in Zahnarztpraxen verwendet wurden, um Prothesen für wohlhabende Kundschaft herzustellen. Die Praxis, Zähne von Verstorbenen zu entnehmen, war besonders zu dieser Zeit weit verbreitet, da man noch nicht die modernen Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz kannte. Darüber hinaus gab es eine gewisse Nachfrage nach «echten» menschlichen Zähnen, die als besonders stabil und ästhetisch angesehen wurden. Ein berühmtes Beispiel für diese Praxis ist der Zahnarzt Samuel Stockton in London, der angeblich nach der Schlacht von Waterloo Zähne von gefallenen Soldaten verwendete, um künstliche Gebisse zu fertigen. Er war einer der ersten, der die Zähne von Verstorbenen als Zahnersatz verwendete und diese für reiche Patienten anbot.

«Nach der Schlacht von Waterloo 1815 wurden Zähne gefallener Soldaten für Prothesen entnommen.»

Die Qualität der Zähne
Die Zähne, die von den Soldaten nach der Schlacht entnommen wurden, hatten, ähnlich wie alle menschlichen Zähne, eine begrenzte Haltbarkeit. Doch zu dieser Zeit galten menschliche Zähne als relativ widerstandsfähig im Vergleich zu anderen Materialien, die für künstliche Zähne verwendet wurden, wie zum Beispiel Elfenbein oder Tierzähne.

Es gibt Berichte, dass Zähne aus der Schlacht von Waterloo besonders begehrt waren und dass sie von Zahntechnikern aufbereitet und in Gebissen eingesetzt wurden, die in Europa und Nordamerika verkauft wurden. Diese Zähne wurden oft in Kombination mit anderen Materialien wie Elfenbein oder Metallteilen verwendet, um die Prothesen stabiler und funktionaler zu machen.

Ethische Fragen
Die Praxis, Zähne von Toten zu entnehmen, war zu der Zeit nicht ungewöhnlich, aber sie wirft aus heutiger Sicht natürlich viele ethische und moralische Fragen auf. Der «Zahndiebstahl» nach grossen Schlachten wurde in der Zeit oft toleriert oder sogar als notwendig erachtet, um den wachsenden Bedarf an Zahnersatz zu decken.

Medizinische Fragen
Natürlich brachte die Verwendung echter Zähne auch Besonderheiten mit sich. Ein Beispiel ist etwa in einer belgischen Untersuchung eines Gefallenen von Waterloo aus dem Jahr 2015 erwähnt (siehe Quellen): «Interessanterweise weisen der erste hintere Mahlzahn und der zweite vordere Backenzahn unten links eine Veränderung der Vorderseite (aussen) der Krone auf, eine Veränderung, die weder auf der rechten Seite, noch bei den beiden oberen Backenzähnen im linken Wangenbereich festgestellt werden konnte. Es handelt sich dabei um parallel verlaufende Furchen, die rechtwinklig zum Zahnreihenschluss verlaufen. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Verschleiss auf eine spezifische und wiederholte Aktivität zurückzuführen ist, wie zum Beispiel das Öffnen der Papierhülsen der Munition mit den Zähnen, wie dies zur damaligen Zeit üblich war.» Gebrauchsspuren vom Laden der Waffen waren noch eines der harmloseren Mitbringsel, die Zähne von Toten mit sich brachten. Denn auch Krankheiten konnten gegebenenfalls auf den neuen Träger der Gebisse übertragen werden. Berichten zu Folge erkrankten etwa möglicherweise sogar Menschen an Siphyllis, das über die Waterloo-Zähne übertragen wurden.

Moderne Zahnprothetik
Heute ist die Zahntechnik weit fortgeschritten. Künstliche Zähne werden aus Materialien wie Keramik, Titan und Hightech-Kunststoffen hergestellt. Menschliche Zähne sind heute kein Bestandteil mehr von Zahnersatz, auch wenn historische Zahnersatzstücke heute als kuriose Relikte der Vergangenheit gelten.

Zusammengefasst, nach der Schlacht von Waterloo wurden tatsächlich Zähne von gefallenen Soldaten entnommen und verwendet, um künstliche Gebisse zu fertigen – eine Praxis, die nicht ungewöhnlich war, aber durch die Entwicklung moderner Zahntechniken mittlerweile längst obsolet ist. 

Bei der Schlacht von Wavterloo wurden sogenannte Vorderlader-Gewehre eingesetzt, wie sie heute noch die Berner Garde an feierlichen Anlässen wie hier an der Bundesratsfeier von Albert Rösti am 15. Dezember 2022 in Kandersteg verwendet. Beim Laden kommen die Zähne beim Aufreissen der Pulverbeutel zum Einsatz.

 

Die Schlacht von Waterloo
Die Schlacht von Waterloo fand am 18. Juni 1815 statt und war ein entscheidendes Ereignis der Napoleonischen Kriege, bzw. der Kriege infolge der französischen Revolution von 1789. Sie markierte das Ende der Herrschaft von Napoleon Bonaparte und führte zu seiner endgültigen Niederlage. Die Schlacht wurde zwischen Napoleons Truppen und einer Allianz von britischen, niederländischen, belgischen und preussischen Streitkräften unter der Führung von Herzog Wellington (Arthur Wellesley) und dem preussischen Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher ausgetragen.

Napoleon hatte nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf der Insel Elba versucht, seine Macht in Europa wiederherzustellen, was zur «Hundert Tage»-Periode führte. Die Alliierten, die sich nach seiner ersten Niederlage und dem Ende seines ersten Kaiserreichs gebildet hatten, mobilisierten ihre Truppen, um Napoleon ein für alle Mal zu besiegen. Die Schlacht fand bei Waterloo, einem Dorf in Belgien, statt und war eine blutige Auseinandersetzung. Napoleon versuchte, die alliierte Armee zu schlagen, aber die koordinierten Angriffe der Alliierten, insbesondere mit der Ankunft der preussischen Truppen, die Napoleon von der Seite angriffen, führten zu einem entscheidenden Wendepunkt. Napoleon musste sich zurückziehen und wurde später gefangen genommen. Frankreich hatte ungefähr 25 000 Tote zu beklagen. Die Allierten Preussen und das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Irland insgesamt etwa 22 000. Das Potenzial an vorhandenen Zähnen war also beträchtlich.

Napoleon Bonaparte überlebte zwar selbst die Schlacht, wurde aber nach der entscheidenden Niederlage auf die abgelegene Insel St. Helena im Südatlantik verbannt, wo er den Rest seines Lebens im Exil verbrachte und 1821 verstarb. Die Schlacht von Waterloo hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische Geschichte, da sie das Ende der napoleonischen Ära besiegelte und eine neue Ära der politischen Ordnung in Europa einleitete, die durch den Wiener Kongress (1814–1815) geprägt war.

Kaiser Napoleon verlor zwar die entscheidende Schlacht von Waterloo, überlebte aber im Gegensatz zu Tausenden seiner Soldaten.

 

Quellen:
Der Soldat von Waterloo. Eine archäologische Untersuchung im Herzen des Konflikts. Dominique Bosquet, Geneviève Yernaux, Alain Fossion & Yves Vanbrabant, Waver (Belgien), 2015.

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