Blasenschwäche – immer noch ein Tabu
Bei einer Blasenschwäche kommt es zu anfallsartig starkem Harndrang und unkontrolliertem Harnverlust. Betroffene sind dadurch körperlich und psychisch stark belastet. Das Schamgefühl ist meist gross. Mit gesunder Lebensführung, Heilpflanzenkraft, Blasentraining und Beckenbodenübungen können die Beschwerden gelindert werden.
Laura Columberg

Wer ab und an durch heftiges Niessen, Husten oder beim Heben schwerer Lasten einen Tropfen Urin verliert, muss sich noch keine Sorgen über seine Blasenfunktion machen. Eine leichte Belastungsinkontinenz ist normal und kann allen begegnen.
Häufen sich aber die Vorkommnisse oder wird die Urinmenge immer grösser und fühlen Sie sich in Ihren Alltagsaktivitäten eingeschränkt, sollte die Ursachenforschung mithilfe einer Fachperson gestartet werden, um passende Behandlungsmöglichkeiten für eine frühzeitige Blasenstärkung finden zu können.
Eine Störung der Blasenfunktion mit plötzlich starkem Harndrang und unkontrolliertem Harnverlust, ist eine weitverbreitete Erkrankung und erschwert vielen Menschen den Alltag. Auch wenn das Thema oft tabuisiert wird, kann jeder Mensch von einer Blasenschwäche betroffen sein. Das Alter spielt dabei kaum eine Rolle – durch die Vielfalt der Ursachen können Blasenschwächen in jedem Alter entstehen. Dennoch zeigt sich mit zunehmendem Alter ein steigendes Risiko für eine Harninkontinenz.
Viele Betroffene leiden im Stillen über eine lange Zeit hinweg und ziehen sich mehr und mehr aus Alltagsaktivitäten zurück. Das intensive Schamgefühl und die Angst, bei plötzlichem Harndrang, nicht rechtzeitig eine Toilette auffinden zu können führen zu Rückzug und Einsamkeit.
Die verschiedenen Inkontinenzformen
Mit einer Blasenschwäche ist nebst dem starken Harndrang auch der unfreiwillige, plötzliche Harnabgang – die Harninkontinenz – gemeint. Zu den am häufigsten auftretenden Inkontinenzformen zählen:
1. Belastungsinkontinenz / Stressinkontinenz: Bereits leichte körperliche Anstrengung, Niesen, Husten oder Lachen führen dazu, dass Urin abgeht. Häufige Ursache ist nicht etwa Stress, sondern eine Schwäche des Beckenbodens oder des Verschlussapparates der Harnblase.
2. Dranginkontinenz: Sie ist durch überfallartigen, nicht zu unterdrückenden Harndrang gekennzeichnet. Dem unwillkürlichen Harnabgang geht keine Bewegung oder eine andere Belastung der Beckenbodenmuskulatur voraus, sondern er kommt fast wie «aus dem Nichts». Auch häufiges Wasserlassen kennzeichnet diese Art der Blasenschwäche. Ursache dafür ist in den meisten Fällen eine überempfindliche oder überaktive Blase, auch Reizblase genannt.
3. Mischinkontinenz: Dabei sind die Symptome der Dranginkontinenz mit dem unwillkürlichen Verlust von Urin bei einer Belastung wie Lachen, Niesen oder körperlicher Betätigung. Sie tritt bei Frauen über 55 Jahren deutlich häufiger auf als bei Männern. Grund hierfür ist die Schwächung des Beckenbodens zum Beispiel durch eine Schwangerschaft, Östrogenmangel oder chronische Blasenentzündungen.
Blasenschwäche bei der Frau
Meist liegt bei einer Blasenschwäche der Frau ein nicht oder nicht mehr ganz dichter Verschluss der Harnröhre – verursacht durch eine Beckenbodenschwäche, ein Östrogenmangel mit Trockenheit im Urogenitalbereich in den Wechseljahren, eine Bindegewebsschwäche, eine Senkungen von Beckenorganen oder mehrere Schwangerschaften und Geburten – zu Grunde. Diese Veränderungen sind anatomisch- und altersbedingt und können durch frühzeitige Behandlung gut im Griff gehalten werden. Die Beschwerden der Reizblase werden meist durch chronisch-rezidivierende Blaseninfekte oder psychische Belastungen verursacht.
Blasenschwäche beim Mann
Bei Männern ist fast immer ein operativer Eingriff an der Prostata vorausgegangen. Ebenso kann eine gutartige Prostatavergrösserung zu einer Blasenschwäche führen, da diese verstärkt Druck auf die Blase und die Harnröhre ausübt. Drangbeschwerden oder eine fortschreitende Überlaufinkontinenz können die Folge sein. Auch schwerwiegende Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson, ein Schlaganfall oder eine Kompression von Nervenbahnen können als Ursache in Frage kommen. Der Behandlungsansatz liegt bei Männern daher besonders auf der prophylaktischen Behandlung einer Prostatavergrösserung.
Heilpflanzenkraft für eine starke Blase
Durch die unterschiedliche Anatomie von Mann und Frau, sind die Ursachen für die Entstehung einer Blasenschwäche verschieden. Es ist wichtig therapeutisch genau hinzusehen, um die Ursachen der Entstehung erkennen zu können. Es gibt einige Heilpflanzen und Behandlungen, die der allgemeinen Blasenstärkung dienen und für Mann und Frau sinnvoll sind:
Die Goldrute (Solidago virgaurea) wird schon seit dem Mittelalter bei Blasenproblemen eingesetzt. Durch den hohen Gehalt an ätherischen Ölen und Flavonoiden wirkt sie beruhigend auf das Blasengewebe. Zudem entfaltet sie eine entzündungshemmende und hartreibende Wirkung. Sie spült Keime schnell aus. Optimal ist ihre Anwendung in Form von Tee oder Tinktur. Blasenstärkung als Tee: einen Teelöffel Goldrute mit 250 ml siedendem Wasser übergiessen, zehn Minuten gedeckt ziehen lassen. Zwei bis drei Tassen täglich trinken. Wichtig: bei einer eingeschränkten Nieren- oder Herztätigkeit sollten vor dem Gebrauch von Goldrutentee ärztlicher Rat eingeholt werden.
Die ätherischen Öle und Cumarine der Engelwurz (Angelica archangelica) lindern vor allem bei Frauen häufigen Harndrang und Restharngefühl. Die entspannende Wirkung entfaltet sich nicht nur körperlich, sondern auch auf psychischer Ebene. Optimal ist die Anwendung in Tropfenform, die individuell auf Sie abgestimmt werden kann. Eine naturheilkundliche Fachperson beratet Sie zur individuellen Dosierung. In Fachgeschäften finden sich auch Fertigarzneimittel in Kapselform. Diese Mittel enthalten zusätzlich meist den Blasenmuskel stärkenden Mineralstoff Magnesium.
Besonders bei Männern wirken die entzündungshemmenden und harntreibenden Effekte von Kürbiskernen (Cucubitae semen). Der Kürbis ist bekannt für seine positive Wirkung bei Prostatavergrösserungen, eine häufige Ursache der männlichen Blasenschwäche. Die fetten Öle der Samen können die Vergrösserung der Prostata verzögern und die Symptome einer bereits bestehenden Prostatavergrösserung lindern. Auch Frauen profitieren von Kürbissamen. Sie wirken der Belastungsinkontinenz entgegen, durch ihre kräftigende Wirkung auf Blase und Beckenboden. Empfohlen wird die tägliche Einnahme von 1–2 Esslöffel Kürbiskerne.
Der Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense), auch Zinnkraut genannt, ist sehr reich an Kieselsäure. Dieses Mineral ist entscheidend für ein starkes Bindegewebe. Der regelmässige Genuss von Ackerschachtelhalm-Tee kann deshalb auch bei der Kräftigung des Bindegewebes in der Blasenumgebung helfen. Er lindert Blasenschwäche, häufigen Harndrang und auch Blasenkrämpfe. Für den Tee ein bis zwei Teelöffel getrocknetes Kraut mit 150 ml siedendem Wasser übergiessen, den Ansatz ca. 20 Minuten köcheln lassen, damit sich die Kieselsäure löst, dann abseihen. Täglich zwei Tassen frisch zubereiteten Tee trinken. Besonders gut schmeckt der Tee nicht, trotzdem sollte man ihn nicht süssen. Fügen Sie lieber andere Kräuter wie Pfefferminze oder Kamille hinzu, das beeinträchtigt die Wirkung nicht.
Eine weitere wertvolle Heilpflanze bei Harninkontinenz ist die Grosse oder Kleine Brennnessel (Urtica dioica oder urens). Hierfür werden aber nicht die Blätter, sondern die Wurzeln der Pflanze verwendet. Die enthaltenen Flavonoide der Brennnesselwurzel verlangsamen das fortschreitende Wachstum einer bereits vergrösserten Prostata. Die zusätzliche leicht harntreibende Wirkung reinigt die Harnwege und lindert Entzündungen. Daher ist die Anwendung auch bei einer Reizblase passend. Im Fachhandel finden sich Fertigprodukte in Form von Kapseln/Tabletten – die Wirkung ist so am stärksten.
Nebst der Heilpflanzenkraft können Sie Ihre Blase mit gesunder mediterraner Ernährung und angepasstem Trinkverhalten stärken. Nicht hilfreich zur Linderung einer Blasenschwäche sind zum Beispiel die beliebten Genussmittel Alkohol und Kaffee sowie grüner und schwarzer Tee. Rhabarber, Spinat und Erdbeeren beinhalten viele blasenreizende Stoffe – auch sie sollten gemieden werden. Warmes Wasser lindert Verkrampfungen und Reizungen in der Blase und stärkt durch die energetische Erwärmung das gesamte Nieren-Blase-System. Eine gesunde Lebensführung mit regelmässiger Bewegung an der frischen Luft, Gewichtsreduktion und Stressreduzierung sind zudem wichtige therapeutische Massnahmen. Für die innerliche und muskuläre Entspannung können Ihnen zum Beispiel eine sanfte Fussreflexzonen-Behandlung, Atemübungen, Yoga oder Meditationen helfen.
Trainieren Sie zudem Ihre Blase und den Beckenboden. Damit lassen sich die Entleerungsintervalle Schritt für Schritt verlängern. Dem Drang zum Wasserlassen sollte für eine kurze Zeit widerstanden werden. Dadurch wird auch die Beckenbodenmuskulatur trainiert.
Finden Sie Ihren individuellen Weg zur Blasenkraft. Seien Sie zuversichtlich und sprechen Sie offen über Ihre Beschwerden mit einer Fachperson. Blasenschwäche muss nicht sein.
Tipps für eine starke Blase
Trinken Sie täglich 35 ml lauwarmes Wasser pro Kilogramm Körpergewicht. Die Trinkmenge sollte abends reduziert werden.
Beckenbodenübungen für Mann und Frau. Bauen Sie täglich Übungseinheiten ein. Eine Fachperson kann Ihnen helfen, passende Übungen zu finden.
Blasen- und Toilettentraining dient der Stärkung der Blase. Dabei wird der Harndrang bewusster kontrolliert und die Muskulatur trainiert.
Unterstützen Sie die Blase mit Nährstoffen wie Magnesium und Vitamin D, welche die Blasenmuskulatur in ihrer normalen Funktion von Anspannung und Entspannung beeinflussen.
Laura Columberg
Dipl. Naturheilpraktikerin TEN mit eigener Praxis in Brugg AG.
Spezialisiert auf Frauen- und Kinderheilkunde.
www.praxiscolumberg.ch