Auf die Haltung kommt es an

Wie im Innen, so im Aussen: Unsere Körperhaltung verrät, wie wir uns fühlen. Das ist nicht immer von Vorteil. Um schwierige Situationen zu überstehen, lässt sich unsere Psyche kurzfristig austricksen. Nachhaltig glücklich sein, können aber nur diejenigen, die Körper und Geist in Balance halten.

Erna Jonsdottir

«So stehe ich wenn ich deprimiert bin», sagt Charlie Brown zu seiner Schwester Sally während er den Kopf hängen lässt und erklärt: «Wenn du deprimiert bist, ist es ungeheuer wichtig, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Das Verkehrteste wäre, aufrecht und mit einem erhobenen Kopf dazustehen, weil du dich dann sofort besser fühlst.» In seiner kurzen Geschichte thematisiert der Erfinder der erfolgreichen Comicserie «Peanuts», Charles M. Schulz, humorvoll ein spannendes Thema, das die Forschung seit Jahren beschäftigt: die Wechselwirkung zwischen Körperhaltung und Psyche.

Ein universelles Gesetz

«Wie im Innen, so im Aussen», sagt Denise Kobi dazu. Dieses Prinzip wird auch als «hermetisches Gesetz der Entsprechung» bezeichnet und besagt, dass es immer eine Übereinstimmung in den verschiedenen Ebenen von Sein und Wirken gibt. Folglich kann die Komplementär- Therapeutin mit eigener Praxis im Kanton Aargau die Stimmung ihrer Patientinnen und Patienten sofort anhand derer Körperhaltung und Bewegungen wahrnehmen. Eine Wahrnehmung, die für alle Therapeut* innen und ärztlichen Fachpersonen in der Behandlung ihrer Patient*innen essenziell ist.

«Niedergeschlagene, deprimierte und ängstliche Menschen lassen wortwörtlich den Kopf hängen. Mehr noch: Diese Stimmung führt zum Verlust der körperlichen Spannkraft», erklärt sie. Dadurch sacke der Körper in sich zusammen, was neben einem hängenden Kopf auch zu einem krummen Rücken, hängenden Schultern und einer flachen Atmung führe. «Auch die Ausstrahlung, die Stimmlage sowie die Bewegungsabläufe verändern sich je nach Gemütszustand; alles Vorgänge, die im Unterbewussten gesteuert werden», sagt Kobi.

Der Trick mit der Psyche

Der Stimmungswechsel geht jedoch auch bewusst. «Versuchen Sie es selbst», fordert Kobi die Autorin dieses Textes auf. Die «Charlie-Brown-Übung», die in der Psychotherapie Anwendung findet, funktioniert. Wer fröhlich und guten Mutes ist, kann lediglich den Kopf und die Schultern hängen lassen und schon ist sie da, die Niedergeschlagenheit. «Kopf hoch» – an dem gut gemeinten Rat ist tatsächlich etwas dran! Mit unserer Körperhaltung und Mimik können wir unsere Psyche demnach austricksen und unsere Gegenüber auch bei Unsicherheit oder Angst von uns überzeugen. Darin geschult sind Führungspersonen oder Politiker*innen. Sie können es sich nicht leisten, bei einer Niederlage den Kopf hängen zu lassen, oder bei heiklen Situationen die Fassung zu verlieren.

Sicheres Auftreten lässt sich üben

Doch auch für den «Otto Normalbürger» ist die Körperhaltung immens wichtig. «Mit einem selbstbewussten Auftreten kann man Berge versetzen», sagt Kobi und macht ein Beispiel: «Eine Person, die Angst vor dem Gespräch mit dem Chef hat, sollte sich Gedanken darüber machen, woher diese Angst kommt und sich gut auf das Gespräch vorbereiten.» Wer sich realistisch betrachte und sich seiner Stärken und Schwächen bewusst sei, könne gut mit Kritik umgehen. Und: «Wer sich gross macht, das Brustbein nach oben streckt, mit gelockerten Schultern, offenen Augen, gelassen aber festen Schrittes ins Büro marschiert, hat den halben Kampf schon gewonnen», so Kobi. Mit dieser Haltung werde man mutiger, selbstbewusster und überzeugender – «und so werden wir auch von anderen eingeschätzt, die uns dann besser behandeln ». Körperhaltung und Selbstgefühl hängen eng zusammen – ein Kreislauf, den wir nutzen können.

Körper und Geist – eine mächtige Verbindung

Das ist leichter gesagt als getan. «Letztlich sind es alte im Körper gespeicherte Emotionen und Spannungen, die uns in eine suboptimale Haltung zwingen», sagt Kobi. Deshalb können auch professionell geschulte Personen kurz aus ihrer Rolle fallen. «Alle Menschen, die emotional unter Druck geraten, reagieren mit ihrer Körpersprache. Auch geschulte Führungskräfte oder Politiker*innen können kurzfristig die Kontrolle über ihre Körperhaltung verlieren, das Gesicht verzerren, die Augen verdrehen oder nervös mit den Händen herumfuchteln», so Kobi. Es reiche nicht aus, ausschliesslich am Körper zu arbeiten. «Die Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele ist viel mächtiger als wir denken. Das beweisen zahlreiche Studien unter anderem zum Placeboeffekt.» Seien es Firmenchefs, Politiker*innen, Handwerker*innen, Schreibtischgurus oder Bauarbeiter*innen – ein starker Geist in einem starken Körper ist für uns alle ein erstrebenswertes Ziel. Stärke bedeutet allerdings nicht, sich im Fitnesscenter künstlich aufblasen zu müssen. «Je nach psychischem Zustand kann ein Krafttraining sogar kontraproduktiv sein», gibt Kobi zu bedenken. «Die Muskulatur eines gestressten Menschen ist bereits verkrampft. Dieser sollte sich lieber mit einem Autogenen Training entspannen, die Muskulatur lockern und dann an einem Körperaufbau arbeiten.»

Lieben Sie Ihren Körper?

Leider wird der menschliche Körper in unserer Gesellschaft oftmals auf eine Hülle aus Fleisch reduziert, die auf Gedeih und Verderben perfekt sein muss. Viele haben sich von ihrem Körper entfremdet und versuchen den geltenden Schönheitsidealen zu entsprechen, indem sie ihn auf die unterschiedlichsten Arten optimieren. Was nicht schön ist, wird kaschiert, möglichst vorteilhaft dekoriert oder wegoperiert. Dabei ist unser Körper ein Schatz und ein lebendiger Organismus, ohne den wir nicht auf dieser Erde sein könnten. Zusammen mit unserem Geist und unserer Seele macht er uns zu dem, was wir sind. Er ist der Ort, an dem wir das Leben erleben, der Ort der sinnlichen Freuden und der tiefen Intimität mit uns und anderen Menschen. Wird er krank, kann das Leben zur Qual werden. Stirbt er, ist unser Leben vorbei. Sind Körper, Geist und Seele in Balance, lässt es wunderbar leben.

Therapien für das Gleichgewicht

Unserem Körper kann es aber nur gut gehen, wenn wir sorgfältig mit ihm umgehen, indem wir einen gesunden Lebensstil pflegen, uns ausgewogen ernähren und uns an der frischen Luft vom stressigen Alltag erholen. Leider reichen diese Massnahmen in unserer schnelllebigen Gesellschaft nicht immer aus. Wer sich in einem Ungleichgewicht befindet, kann Gegensteuer geben. Es gibt zahlreiche Atemtechniken, Meditations-, Konzentrations- und Bewegungsformen, die helfen, Körper und Geist in Balance zu bringen und zu halten – darunter Qigong, Yoga, Autogenes Training sowie verschiedene Tanztherapien. Bekannte Begriffe in der Bewegungstherapie sind auch Rolfing und Feldenkrais (s. Box).

Eine eigene Methode, die in über 26 Ländern unterrichtet wird, hat die deutsche Beckenbodenexpertin und Bewegungstherapeutin, Coco Berlin, entwickelt. Im Fokus ihrer Arbeit steht immer der Körper und die Entdeckung dessen. «Menschen, die sich im eigenen Körper wohl fühlen und sich selbst lieben, haben Zugang zu ihren persönlichen Ressourcen und Kraftquellen. Sie leiden weniger unter Ängsten, Depressionen und Burnout und sind in Krisen resilienter», schreibt sie in ihrem Buch.

Kobi ergänzt: «Wer sich nicht selbst lieben kann und alles daran setzt, um an sein äusserliches Idealbild zu kommen, wird keinen Frieden mit sich selbst haben. Im Gegenteil, alles, was wir an uns selbst verachten, sorgt für tiefe seelische Verletzungen.» Sind wir hingegen in Harmonie mit uns selbst, erleben wir auch eine harmonische Aussenwelt: Der Frieden im Innen, gibt Frieden im Aussen.

Selbstliebe: Zwei Übungen für den Alltag

Umarmen Sie sich selbst

Das mag für manche seltsam klingen. Doch diese Übung hat es in sich. Sie kann körperliche Schmerzen lindern und eignet sich wunderbar, um sich in stressigen Situationen zu beruhigen. So geht’s:

  1. Legen Sie Ihre rechte Hand auf Ihren linken Oberarm und umgekehrt, sodass sich ihre Arme über der Brust kreuzen. Justieren Sie noch ein bisschen nach, bis Sie spüren, dass Sie sich selbst umarmen.
  2. Und? Wie fühlt es sich an? Würden Sie sich gerne halten oder fester greifen?
  3. Streichen Sie nun von der Schulter Richtung Ellbogen und spüren Sie Ihre Berührung. Ist das nicht beruhigend?
  4. Lassen Sie Ihre Hände ruhen und spüren Sie Ihren Atem. Das sind Sie, im Hier und Jetzt.

Schreien Sie sich frei

  1. Diese Übung ist eine wunderbare Selbsterfahrung zum Lösen von alten, angestauten Emotionen, aber auch um zwischendurch im Alltag Luft zu machen. Versuchen Sie lauthals in der Natur, oder zu Hause in ein Kissen, zu schreien, um angestauten Emotionen Raum zu geben, oder einfach nur, um unbändigen Spass zu haben.
  2. Atmen Sie tief ein und schreien Sie einfach los. Probieren Sie alle Stimmlagen und alle Ausdrucksarten.
  3. Spüren Sie nach: Wie hat sich das Schreien auf Sie ausgewirkt?
  4. Schreien Sie noch mehr, wenn Sie wollen. Die Autorin Coco Berlin macht mindestens zwei Schreie jeden Morgen.

Rolfing und Feldenkrais

Rolfing kümmert sich intensiv um die richtige Körperhaltung. Es handelt sich um ein manuelles Verfahren, das seit den 50er-Jahren zum Beispiel bei Haltungsschäden oder Verspannungen in den Einsatz kommt. Die Methode soll sich positiv auf das Fasziennetz auswirken.

Ebenso bekannt ist die Feldenkrais-Methode – eine Lernmethode, die uns mit Hilfe von Bewegung und Aufmerksamkeit dazu anleitet, unsere Muster und Gewohnheiten auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene zu erkennen und bei Bedarf zu verändern.

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