Es muss nicht immer an Neujahr sein
Es ist jedes Jahr dasselbe. Spätestens im Februar sind die meisten guten Vorsätze zum neuen Jahr schon still begraben worden. Schade, denn die meisten Vorsätze haben wir doch mit dem festen Willen gefasst, sie auch umzusetzen, aber vermutlich in zu grossen Schritten. Zeit also für einen neuen Versuch – diesmal mit Erfolg.
Markus Kellenberger

Nein, Sie sind nicht der einzige Mensch auf Erden, der es mal wieder nicht geschafft hat. Auch mein Vorsatz fürs neue Jahr, auf Süsses zu verzichten, hielt nur wenige Tage, dann verführte mich ein Dessert. Das ist kein Wunder, denn wie viele Menschen neige ich dazu, gefasste Vorsätze radikal umsetzen zu wollen, ganz nach dem Motto: ganz oder gar nicht. Dass das meistens schief geht und warum, weiss die Forschung.
Viele unserer guten Vorsätze verlaufen im Sand, weil wir Gewohnheitstiere sind. Unser Alltag besteht aus vielen kleinen und grossen Gewohnheiten, die sich wie Trampelpfade in unser Hirn eingeprägt haben. Das fängt schon bei Morgenritualen an wie aufstehen, unter die Dusche, Kaffee aufsetzen, frühstücken … niemand denkt jeden Tag neu darüber nach. Dieses Programm läuft ebenso automatisch ab wie der Griff zur Schokolade, zum Handy oder das allabendliche Einschalten des Fernsehers. «Unser Kopf ist voll von solchen Trampelpfaden», sagt der Neurologe und Buchautor Manfred Spitzer. «Sie machen unser Leben einfach und bequem.»
Diese alten Pfade zu verlassen braucht Willenskraft, und «die ist wie ein Muskel», sagt Roy Baumeister, der an der Queensland Universität in Australien zu Themen wie Selbstkontrolle und Motivation forscht. «Wenn wir die Willenskraft überstrapazieren, wird sie müde», erklärt er. Und wer müde wird, neigt dazu, auf die bequemen und vertrauten Pfade zurückzukehren. Vorsatz ade!
Damit das nicht passiert, braucht es also einen Trainingsplan, damit sich eine neue Gewohnheit erfolgreich etablieren kann, denn wer von Null auf Hundert gleich einen Marathon rennen will, hat verloren. Das «Konzept der kleinen Schritte» ist da viel Erfolg versprechender, und das geht so:
Formulieren Sie Ihren Vorsatz einfach und klar: Statt sich vage vorzunehmen, ab morgen mehr Sport zu treiben, formulieren Sie ein klares Ziel. Das kann zum Beispiel sein, jeden Dienstag und Donnerstag eine halbe Stunde joggen zu gehen. Dasselbe gilt für den vagen Vorsatz, weniger essen zu wollen. Stellen Sie einen konkreten Diätplan auf.
Machen Sie aus Ihrem Vorsatz ein ernsthaftes Projekt: Zerlegen Sie dieses Projekt in Teilschritte. Um beim Beispiel von «mehr Sport» zu bleiben, könnten Teilschritte heissen: erstellen Sie einen Zeitplan; suchen Sie sich eine ansprechende Strecke; rennen Sie nicht gleich los, sondern spazieren Sie die ersten zwei Wochen zügig, joggen Sie nur Teilstrecken. Kleine Erfolge stärken die Willenskraft.
Vorsätze dulden keinen Aufschub: Es gilt die 72-Stunden-Regel, und diese besagt: setzen Sie Ihren Vorsatz entschlossen innerhalb von drei Tagen um. Danach, das bestätigt die Motivationspsychologin Veronika Brandstätter von der Universität Zürich, besteht kaum mehr eine Chance, dass Sie Ihren gefassten Vorsatz tatsächlich auch umsetzen.
Am Dranbleiben führt kein Weg vorbei: Bis sich eine neue Gewohnheit als neuer Trampelpfad im Hirn eingeprägt hat, braucht es mindestens zwei Monate. So lange müssen Sie durchhalten. Rückschläge sind in dieser Zeit übrigens völlig normal. Manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis alle Hürden genommen sind und der gefasste Vorsatz Wirklichkeit geworden ist.
Die «Gift und Gegengift Methode»
Neben dem «Konzept der kleinen Schritte» gibt es noch eine etwas in Vergessenheit geratene weitere Methode, um gute Vorsätze zu verwirklichen. Sie wurde vor rund zwanzig Jahren von den beiden Kreativ-Trainerinnen Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers entwickelt. Sie nennt sich die «Gift und Gegengift Methode» und begeistert mich immer wieder, denn sie macht Spass und besteht aus fünf hilfreichen Schritten:
1. Formulieren Sie als Erstes das pure Gegenteil Ihres Vorhabens, also das «Gift». Lautet das Ziel etwa: «Ich möchte drei Mal pro Woche abends joggen gehen», schreiben Sie auf: «Ich möchte so wenig joggen gehen wie nur möglich.»
2. Jetzt kommt der kreative Teil: Überlegen Sie, wie Sie das «Gift» effektiv in die Tat umsetzen können. Zum Beispiel: «Ich bleibe jeden Abend zu Hause und schaue Serien», oder «Ich esse so viel, dass ich mich nicht mehr bewegen mag.» Nehmen Sie sich für diesen Schritt genügend Zeit. Holen Sie das Schlechteste aus sich heraus. Lassen Sie sich in Ihrer Fantasie nicht einschränken, sondern formulieren Sie lustvoll selbst die absurdesten «Verhinderungstaktiken». Alles ist erlaubt.
3. Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, machen Sie eine kleine Pause, bevor es darangeht, das «Gegengift» zu formulieren. Nehmen Sie dazu ein neues Blatt und übersetzen Sie die vorher aufgelisteten giftigen Massnahmen in ihr Gegenteil.
4. Sie haben nun eine Liste mit konkreten Handlungsanweisungen vor sich, um Ihren guten Vorsatz zu verwirklichen. Diese können Sie noch einmal dahingehend ordnen, wie umsetzbar die einzelnen Schritte tatsächlich sind, und gegebenenfalls solche aussortieren, die tatsächlich ins Reich der Fantasie gehören.
5. Stehen auf dieser Liste vielleicht Ideen, um Ihren Vorsatz umzusetzen, die Ihnen auf direktem Weg nicht eingefallen wären? Falls ja, hat die Übung ihr volles Potenzial entfaltet.
Alles, was Sie jetzt noch tun müssen ist: Setzen Sie Ihren Vorsatz um, die Chancen stehen gut.
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Markus Kellenberger begleitet Menschen auf der Reise ins Innere und beantwortet Ihre Fragen aus den Bereichen Leben, Liebe, Glaube und Spiritualität persönlich und ganzheitlich. m.kellenberger@weberverlag.ch