Mit Knochen kochen
In der Schweiz wird immer weniger Fleisch gegessen. In Politik und Medien ist ohnehin die vegetarische, ja gar die vegane Küche im Vormarsch. Noch schwerer als etwa die Edelstücke haben es Schlachtnebenprodukte wie Innereien oder auch Knochen. Dabei haben etwa Knochen sowohl geschmacklich wie auch von den Inhalten her einiges zu bieten.
Samuel Krähenbühl
Noch im Jahr 1980 betrug der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch in der Schweiz noch 64,4 Kilogramm im ganzen Jahr. Dieser Wert ist in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2023 konsumierten die Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt noch 47,3 Kilogramm Fleisch. Dabei stehen die sogenannten Edelstücke wie Entrecôte, Filet und Co in der Beliebtheitskala weit oben. Für Hamburger oder Chicken Nuggets werden auch noch weniger teure Muskelfleischstücke gesucht. Aber wer isst heute noch Blut- und Leberwürste, Kutteln oder gar Knochen?
Knochen als Geschmacksträger
Zugegeben: Die eigentliche Knochensubstanz kann man ja gar nicht essen. Knochen, beziehungsweise Knochenstücke von frisch geschlachteten Tieren enthalten jedoch wesentlich mehr als nur weisses Calcium. Zum einen sind da stets Reste von Muskelfleisch. Zum anderen findet sich im Innern der Knochen das Knochenmark. Und dieses Knochenmark vermag richtig zubereitet wahre Geschmacksorgien in unseren Gäumen zu entfachen. Gekochtes Knochenmark ist butterweich und cremig, da es einen recht hohen Fettgehalt hat. Und es schmeckt herzhaft, vollmundig nach Umami-Aroma (siehe Kasten). Namentlich, wenn die Knochenstücke angebraten wurden, kommen auch noch feine Röstaromen dazu. Die Röstaromen entstehen durch den sogenannten Maillard-Effekt. Besonders in der klassischen französischen Küche werden deshalb Knochen gerne verwendet. Zum einen bilden geröstete und anschliessend in Wasser gekochte Rinderknochen die Basis für das weltberühmte «Pot-au-feu», also die klassische Fleischsuppe. Zum anderen bilden Rinds- oder Kalbsknochen die Basis für eine klassische französische Bratensauce. Auch dazu werden die Knochenscheiben zusammen mit Suppengemüse in Öl angebraten und dann mit Tomatenmark ergänzt. Mit zwei Teilen Wasser, einem Teil Rotwein und zwei Stunden Kochzeit ergibt dies eine hervorragende Basis, das sogenannte «Jus», welches noch abgesiebt und danach verfeinert wird. Siehe dazu das Rezept.
«Knochen verleihen Geschmack und enthalten nützliche Nährstoffe wie Kalzium, Magnesium und Kollagen.»
Kalzium, Magnesium und vor allem Kollagen
Und wie gesund ist es, Knochen in Form etwa von Suppe oder Sauce zu essen? Zum einen gilt sicher hier, wie so oft der Grundsatz, dass es auf die Menge ankommt. Zum anderen kann sicher gesagt werden, dass Knochen verschiedene Inhaltsstoffe haben, welche eine positive Wirkung haben können. Knochen enthalten naturgemäss viel Magnesium und Kalzium, dann aber auch Kollagen. Und Kollagen hat grundsätzlich eine positive Wirkung auf Haut, Haare oder Nägel. Nicht umsonst hat man früher kranken, schwachen Menschen oder auch Wöchnerinnen eine deftige Fleischsuppe verordnet.
Mit der Bratensauce lassen sich herzhafte Gerichte vervollständigen.
Grundrezept Bratensauce
Zutaten
2 kg vom Rind, Kalb oder Geflügel
Öl, zum Braten
2 Knoblauchzehen
3 Zwiebeln
3 grosse Karotten
100 g Sellerie
2 EL Tomatenmark
1 Liter Rotwein
3 Liter Wasser
Pfefferkörner
2 Lorbeerblätter
Salz
Zubereitung
1. Knochen in Öl anrösten.
2. Gemüse dazufügen und auf etwa mittlerer Hitze weiterrösten.
3. Tomatenmark dazufügen und noch mal etwas rösten.
4. Rotwein, Wasser und Gewürze dazufügen und das Ganze etwa zwei Stunden köcheln lassen.
5. Knochen, Gemüse und Gewürze herausnehmen und Sauce danach absieben.
Umami
Früher lernte man in der Schule, dass unsere Zunge vier Geschmacksrichtungen erkennen kann: Süss, sauer, salzig und bitter. Heute weiss man, dass es auch noch eine fünfte Geschmacksrichtung gibt. Die Voraussetzung für den fünften Geschmack sind proteinhaltige Lebensmittel. Und sobald Proteine in ihre kleinsten Bausteine – die Aminosäuren – zerlegt werden, entsteht freie Glutaminsäure. Sie ist es, die für den Umami-Effekt verantwortlich ist. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet in etwa «Schmackhaftigkeit». Übrigens: Lebensmittel mit Glutamat sind wahre Umami-Bomben. Und Glutamat ist unter anderem im gleichzeitig beliebten wie auch verpönten Gewürzsalz «Aromat» enthalten.
Maillard-Effekt
Die Maillard-Reaktion ist nach dem französischen Naturwissenschaftler Louis Camille Maillard benannt, der die Reaktion von Aminosäuren mit Glykosiden bei erhöhten Temperaturen entdeckte. Ob der gute Mann auch Liebhaber einer krossen Steak- Kruste war, ist uns leider nicht überliefert. Es wäre aber durchaus denkbar. Denn die Maillard-Reaktion bezeichnet die Folge chemischer Abläufe, die für die goldbraune Färbung sowie die Kruste des Fleisches verantwortlich sind. Aminosäuren reagieren dabei mit Kohlenhydraten oder Glykosiden und bilden so eine Vielzahl von neuen chemischen Verbindungen. Dadurch verändert sich Farbe und Struktur der Fleischoberfläche.