Grosselternsein als Chance

Grosseltern können die Kindheit und somit das ganze Leben ihrer Enkel nachhaltig positiv prägen. Damit der Balanceakt zwischen Nähe und Distanz zwischen drei Generationen gelingt, braucht es Toleranz und Respekt.

Therese Krähenbühl-Müller


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s ist ein schönes Bild, wenn Enkel ihren Gross-eltern freudestrahlend in die Arme fallen, wenn diese sie von der Kita oder dem Kindergarten abholen oder wenn sie ausgelassen zusammen auf dem Spielplatz herumtollen oder Enkel eifrig beim Fussballspiel von ihrer Oma und ihrem Opa angefeuert werden. Grosseltern, die Energie und Lust haben, Zeit mit ihren Enkeln zu verbringen, entlasten nicht nur ihre Kinder, sondern können auch eine weitere Generation begleiten und prägen. Was in der Theorie sehr schön klingt, kann in der Praxis einige Tücken mit sich bringen. Um die gute Beziehung zwischen den Generationen zu erhalten, macht es also Sinn, die gegenseitigen Erwartungen zu klären, wenn sich Nachwuchs ankündigt.


Mittelwege finden

Nur weil man vielleicht schon pensioniert ist, somit etwas mehr Zeit hat und auch körperlich noch fit ist, heisst das nicht per se, dass man auch den Wunsch hegt, regelmässig die Enkel zu hüten. Vielleicht kann es auch sein, dass sich Menschen, die lange im Berufsleben gestanden und viel geleistet haben, sich etwas Ruhe wünschen und gerne reisen und nicht verpflichtend jede Woche die Enkel betreuen möchten. Das ist legitim und kann so kommuniziert werden.

Vielleicht sollte man sich aber bei allem Freiheitsdrang auch bewusst machen, dass man älter wird und die Enkel nur eine kurze Zeit klein sind. Sind sie gross, ist die Chance verpasst. Es gibt ja aber auch einen Mittelweg zwischen zwei Tage die Woche fix verpflichtend zu babysitten und die Enkel gar nie zu betreuen. Frühzeitiges Planen und Vereinbaren von Terminen kann Konflikten vorbeugen.


Grenzen respektieren

Nicht nur die Frage wann, sondern auch wie auf die Enkel aufgepasst wird, ist nicht immer ganz einfach. Manchmal gehen die Vorstellungen rund um Ernährung, Schlaf und Gestaltung der Tage der Kinder weit auseinander. Was bei der Grosselterngeneration als völlig normal galt, wird von den Eltern als unpassend angeschaut. Auch hier gilt es wieder, klare Abmachungen zu treffen und gerade auch auf der Seite der Grosseltern zu akzeptieren, dass Erziehung heute teilweise anders gestaltet wird.

Das Thema Grenzen und Grenzüberschreitung ist auch in diesem Fall gross und bietet Konfliktpotential. Auf beiden Seiten ist darum Rücksichtnahme und Toleranz gefordert. Es ist gerade das Privileg der Grosseltern, ab und zu eine Fünfe gerade sein zu lassen, wo Eltern konsequent sein wollen. Gegenseitiges Verständnis und Toleranz sind der Schlüssel zu einer harmonischen Beziehung. Denn sind diese nicht vorhanden, können auch die Enkel zwischen den Spannungen leiden und so macht die Hilfe nur wenig Sinn.

 



Weite Bandbreite der Hilfe

Vielleicht müssen es auch nicht immer fixe und ganze Tage sein, welche die Grosseltern zusammen mit ihren Enkeln verbringen. Oft gibt es Eltern schon etwas Luft, wenn jemand mit ihren Kindern für eine oder zwei Stunden im Park spazieren oder mit ihnen auf den Spielplatz geht. Manchmal reicht auch schon das Anwesendsein, etwas mit den Kindern zu spielen oder zu basteln, wenn die Eltern sogar im Haus sind. Die Bandbreite für mögliche Hilfestellungen ist weit.  Gerade die jüngere Generation sollte sich bewusst machen, dass ihre Eltern nicht verpflichtet sind, die Enkel zu hüten. So wie auch Grosseltern es akzeptieren müssen, wenn ihre Kinder es bevorzugen, die Enkel lieber institutionalisiert in einer Kita oder von Tageseltern betreuen zu lassen. Denn Enkel sind wiederum nicht dazu da, die Leere der Grosseltern im Alter auszufüllen oder ihnen zu helfen Dinge auszubügeln oder ein schlechtes Gewissen für Versäumnisse bei den eigenen Kindern auszugleichen. Jede Generation hat ihre eigene Geschichte und Herausforderungen und es gilt, neue Chancen zu nutzen und nicht dem Vergangenen nachzuhängen.

Fähigkeiten statt Geld vererben

Es ist also sinnvoll, wenn man sich als Grosseltern auch einmal überlegt, was man denn der nächsten Generation weitergeben möchte. Der amerikanische Prediger Billy Graham sagte einst zu diesem Thema: «Das grösste Vermächtnis, das jemand seinen Grosskindern weitergeben kann, sind nicht Geld oder materielle Dinge, die jemand in seinem Leben angehäuft hat, sondern das Vermächtnis von Charakter und Glauben.» Dabei soll es sicher nicht darum gehen, festgefahrene Glaubenssätze an die nächste Generation weiterzugeben. Vielmehr ist es eine Chance, kleine Menschen mit Geduld und Liebe und vielleicht auch dem Erzählen von Geschichten und gemeinsamen Erlebnissen zu prägen und ihnen eine Erinnerung für die Tage zu hinterlassen, wenn man selbst nicht mehr lebt.

Dazu kann es auch gehören, dass man den Kindern gewisse Dinge beibringt, für welche die Eltern vielleicht etwas weniger Zeit haben oder sie schlicht auch nicht beherrschen. Gerade die ältere Generation hat oft noch etwas intensiver Handarbeits- und Werkunterricht gehabt. So ist es schön, wenn Enkel einmal sagen können, dass sie das Stricken und das Verkabeln von Lampen oder das Backen von Pfannkuchen oder das Singen eines bestimmten Liedes oder ein Gedicht von ihren Grosseltern gelernt haben. Vermutlich sind diese Vermächtnisse weitaus nachhaltiger als das Hinterlassen von Geld oder Bergen an Spielsachen.

«Kinder brauchen nicht viel, um glücklich zu sein. Oft reicht es einfach, ihnen Zeit und ein offenes Ohr zu schenken.»

 

Beide Seiten profitieren

Auch bei den Unternehmungen sind es oft die kleinen Dinge, die den Grosskindern besonders gut in Erinnerung bleiben. Der gemeinsame Ausflug in den nahegelegenen Wald, wo man zusammen ein Zwergenhaus gebaut oder für Vögel Kerne verstreut hat. Vielleicht ist es auch das Picknick auf einer Decke auf dem Spielplatz oder am See, dass man zuvor liebevoll zusammen zubereitet hat, das den Kindern besonders Spass macht.

Und unter Umständen reicht es schon, an einem verregneten Tag gemeinsam im Wohnzimmer ein Haus aus Stühlen und Decken zu bauen und darin gemeinsam ein Buch zu lesen und eine warme Schokolade zu trinken. Kinder brauchen nicht viel, um glücklich zu sein. Oft reicht es einfach, ihnen Zeit und ein offenes Ohr zu schenken. Grosseltern profitieren wiederum davon, dass sie fit und geistig flexibel bleiben, wenn sie immer wieder dazu aufgefordert werden, sich auf neue Situationen einzulassen. 

 

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