Die Teigruhe macht den Unterschied
Alte Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Dinkel bereichern durch ihre Aromaspektren und Nährwerte. Für die Vermeidung von Verdauungsproblemen ist aber vor allem auch die Teigherstellung verantwortlich.
Monika Neidhart
«Seit ich Dinkelbrot oder eines mit Urgetreide anstelle von Weizenbrot esse, habe ich keine Verdauungsprobleme mehr.» Diese Aussage hört man immer wieder. Doch woran liegt es, dass Einkorn, Emmer, Dinkel oder Kohrasan als bekömmlicher wahrgenommen werden? Am Gluten, das bei Zöliakiepatient*innen Entzündungen in der Darmschleimhaut auslöst? So einfach ist es nicht. Die sogenannten «Urgetreide» enthalten genauso Gluten wie Weizen. Ohne dieses Klebereiweiss könnte kein Brot gebacken werden, höchstens ein Fladen. Wer an einer diagnostizierten Glutenintoleranz leidet, muss leider auch auf diese Getreidesorten verzichten. Dass Brote unterschiedlich bekömmlich wahrgenommen werden, liegt in erster Linie an der Teigherstellung und nicht am verwendeten Getreide.
Mit jeder Stunde mehr Teigruhe wird das Brot bekömmlicher
Was Bauchweh, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auslösen kann, sind die sogenannten FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole). Es sind also Zuckerverbindungen, die Beschwerden auslösen können, nicht die Eiweisse.
Die Teigruhe wurde im harten Wettbewerb im Brotgeschäft in den letzten Jahrzehnten systematisch gekürzt. Eine Folge daraus: Die Ketten der Kohlenhydrate (in Form von Stärke) werden nicht mehr vollständig aufgespalten. Es bleiben kurze Ketten von verschiedenem Zucker übrig. Im Dickdarm vergären sie und verursachen Beschwerden. Lässt man dem Teig zwölf und mehr Stunden Teigruhe, bauen Enzyme die Ketten vollständig ab. Berücksichtigt man diese biologischen Prozesse, wird jedes Getreide verdaulicher. Eine Studie der Universität Hohenheim zeigt, dass Getreide wie Weizen, Dinkel, Emmer oder Einkorn ähnliche FODMAP-Gehalte aufweisen.
Die lange Teigführung kann auch zu Hause umgesetzt werden. Den Teig über Nacht in den Kühlschrank stellen und am nächsten Tag backen. Andere Rezepte reduzieren die Hefe und lassen ihn mind. 12 Stunden bei Zimmertemperatur stehen. Ideal ist auch Sauerteig. Ein Grundsauer kann mit frisch gepresstem Apfelsaft, Mehl und Wasser angesetzt werden. Bis er triebfähig ist, dauert es rund eine Woche. Mit einem Teil davon wird am Vorabend des Backtages ein Vorteig gemacht, am nächsten Tag der Hauptteig.
Knusprig feuchtes Brot dank Brühstück
Auch wenn alte Getreide nicht das Allerweltsmittel gegen Verdauungsbeschwerden sind, haben sie dennoch viele Vorzüge. Sie bringen neue Geschmackserfahrungen wie etwa das Einkorn mit seiner gelblich-orangen Krume mit nussig-lieblichem Aroma. Dazu weisen sie zum Teil höhere Gehalte an Proteinen, Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsfasern auf. Das auch, weil das ganze Korn vermahlen wird. Eine Ausbeute von 50–60 Prozent, wie beim Weissbrot, leistet sich kaum jemand. Ein Kilo Einkorn kann in Bioqualität bis zu 12 Franken kosten. Für alle, die gerne backen, bringen die weniger gängigen Getreide spannende Backvorgänge. Andreas Dossenbach, Bäckermeister in Engelberg, kennt sich mit alten Sorten aus: «Die Eiweissstränge sind oft zu wenig stabil. Es ist wie ein Luftballon mit Löchern, das CO2 kann entweichen. Es entsteht ein kompaktes Brot, das schnell austrocknet.» Der Fachmann erklärt es am Beispiel Dinkel. «Da diese Stärke mehr verkleistert als bei anderen Getreidearten, neigt der Teig zu Trockenheit; ein Dinkelzopf wird gar 'strohig'».
Damit dies nicht geschieht, bereitet er schon am Vortag ein sogenanntes Brühstück zu: «Ich nehme 1/3 des Mehles und verrühre es mit 1,5-facher, kochender Wassermenge. Dadurch findet eine Vorverkleisterung statt, das Wasser ist beim Backen frei.» Das ausgekühlte Brühstück wird 12 Stunden in den Kühlschrank gestellt, danach mit den restlichen Zutaten verarbeitet. Weil der Teig eher nass ist, braucht es Fingerspitzengefühl, wie der Fachmann erklärt: «Teige mit Mehl aus alten Getreidesorten dürfen nicht zu stark geknetet werden. Es ist mehr ein Mischen, damit das Eiweissgerüst nicht zu stark belastet wird». So entsteht ein knuspriges, aromatisches Brot, das dank der Feuchtigkeit lange haltbar ist. Zudem bleibt es besser in Form und geht weniger in die Breite.
Übersicht Getreide
Die ursprünglichen Getreidepflanzen waren Steppengräser. Durch Kreuzungen entstanden ackertaugliche Kulturpflanzen. Aus dem Urweizen oder Einkorn entwickelten sich zwei Linien: Auf der einen Seite Dinkel, auf der anderen Emmer und Weizen. Was heute unter «Urgetreide» verstanden wird, ist nicht klar definiert.
- Einkorn: Dank hohem Anteil an Betacarotin leicht gelbliche Färbung des Mehls und der Gebäckkrume. Nussiger Geschmack.
- Emmer (Zweikorn): dunkle Färbung, würziger Geschmack. Gute Quelle für Proteine, Mineralstoffe und Betacarotin. Geringerer Anteil an Gluten (evtl. mit Dinkelmehl mischen, damit das Backresultat gelingt).
- UrDinkel: nicht mit Weizen eingekreuzt, geschützte Marke. Enthält höheren Anteil an hochwertigen Aminosäuren, Mineralstoffen, Vitaminen und Kieselsäuren. Ideale Fettsäurezusammensetzung. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde Dinkel ganz einfach auch «Korn» genannt.
- Waldstaudenroggen: Erdiger, leicht würziger Geschmack, der sich beim Backen intensiviert. Reich an Nahrungsfasern, Proteinen, Spurenelementen und B-Vitaminen.
- Khorasan (geschützter Name: Kamut): mehr Proteine als Weizen, das grosse Korn hat nussigen einen Geschmack.
- Dazu regional unterschiedliche Sorten.
Rezept: Schoggi-Gugelhöpfli mit Khorasan (Kamut)
(Rezept von A. Dossenbach, Engelberg)
12 Stück à 60 g
160 g Vollei und 100 g Zucker zusammen leicht erwärmen (handwarm)
150 g Vollrahm erwärmen
300 g dunkle Schokolade (Kakaogehalt ca. 65 %) im Rahm, bei max. 40 °C schmelzen
50 g Khorasanmehl (Kamut) einmelieren
Fertigstellen: Die Masse mithilfe eines Dressiersacks in gebutterte Gugelhopfförmchen einfüllen Backen: Ofenmitte, 180 °C, ca. 20–25 Min.
Serviervorschlag: Noch warm mit etwas Schlagrahm servieren.
1 Kommentar
Herzlichen Dank & Brot. 👏👏👏 ein kompaktes schweres Dinkelbrot ist etwa das richtige homöopathische (Heil)mittel gefunden zu haben & ist supersättigend.🦉👏nussignahrhaft von feinster Farbe.