Entrümpeln! Aber wie?

Unser Leben ist vollgestopft mit zu vielen Dingen. Wie schön wäre es, könnten wir radikal ausmisten! Wir zeigen auf, wie nachhaltiges Entrümpeln und Loslassen gelingt.

Lioba Schneemann


Was sich alles so «ansammelt» mit den Jahren! Spätestens vor einem Umzug nimmt man sich vor, richtig auszumisten. Jedoch fällt das Weggeben oder Wegwerfen auch den Menschen schwer, die es sich fest vorgenommen haben. Da hilft zwar Humor, jedoch kommt damit nichts weg. In unserer Familie ist es nämlich oft so: Einer will endlich etwas zur Brocki bringen oder wegwerfen, dann meint ein anderer, das könne man doch nochmal, irgendwann brauchen – und Schwups, landet das Ding wieder an seinem Platz oder im Kellerregal.

Dabei wissen wir es aus eigener Erfahrung, wenn wir es mal geschafft haben, etwas auszumisten: Es tut gut! Es schafft nicht nur Platz im Schrank, sondern befreit uns auch im Inneren.


Ausmisten bedeutet Loslassen

Beim Ausmisten geht es auch darum, sich zu fragen, warum man so viele Gegenstände besitzt. Ist mein Haus, meine Wohnung ein Lebensraum oder eher zu einem Lagerraum geworden? Der erste Schritt zum Ausmisten und Weggeben ist, sich mit seinem Leben, seinem Kauf- und Konsumverhalten und auch mit seinen Glaubenssätzen zu befassen. Und sich auch klar zu machen: Es ist kein einfacher Schritt. Entrümpeln und Loslassen kann und darf wehtun.

Es kann hilfreich sein, sich seiner Prägungen bewusster zu werden, indem man sich folgende Fragen bezüglich dem Ausmisten stellt: Welche Gedanken halten mich davon ab, Dinge, die ich nicht mehr brauche oder nicht mehr mag, wegzugeben? Sind es Überzeugungen wie «Man darf Geschenke nicht weitergeben, schon gar nicht wegwerfen. Ich muss das behalten, weil ich dafür viel Geld ausgegeben habe. Dinge, an welchen Erinnerungen hängen, kann ich nicht wegwerfen oder anderen geben!», die mich plagen? Wenn wir diese uns bewusst machen und nach dem Sinn und dem Nutzen für mich jetzt fragen, kann es helfen, mit dem Entrümpeln zu beginnen.

Aufzuräumen kann auch Spass machen, wenn eine neue Ordnung entsteht, die Befriedigung verschafft.


Einfach weniger Ballast

Ausmisten macht nämlich Spass, wie die Fachfrau Karen Kingston schreibt. Und wir würden mit gründlichem Ausmisten gegen vieles angehen können: Sei es gegen eine allgemeine Apathie und Energielosigkeit oder gegen ein Festklammern an der Vergangenheit. Depressionen und Familienkonflikte und gar Übergewicht könne mit ordentlichem Ausmisten entgegengewirkt werden, meint sie. «Der Generalangriff auf das alltägliche Chaos macht uns zu selbstbewussten, ausgeglichenen Menschen», sagt auch die Bestseller-Autorin Marie Kondo. Der «heilsam-positive Schock der Ordnung» ermögliche uns genau das Leben zu führen, das wir führen wollen.

Einfach Ballast loswerden und Aufräumen als Start in eine neue, aufgeräumte Zukunft! Das tönt gut – leicht ist es dennoch nicht. Guter Rat ist teuer, und so lautet denn der erste Ratschlag der Japanerin Kondo: Sei radikal! Höchstens 6 Monate solle man sich Zeit nehmen für den ganzen Prozess des Aufräumens und Loslassens. «Nur durch das radikale Aufräumen in einem Rutsch wird ein drastischer Bewusstseinsprozess ausgelöst.» Das garantiere keinen Rückfall ins Chaos. Ihr zweiter Tipp: Gehe nach Kategorien vor. Man beginnt, Gegenstände einer Kategorie, unabhängig davon, wo Sie sich befinden, zu sammeln. Kleider sind ja nicht nur in einem Schrank zu finden, sondern befinden sich an vielen Orten im Haus oder in der Wohnung verteilt.

Sie rät, mit der Kleidung zu starten, dann Bücher, Dokumente, Kleinkram und dann am Schluss, sich an emotionale Dinge wie Erinnerungsstücke heranzuwagen. Kleider, so die Expertin, besässen wir recht viele, darum sei es einfacher, damit zu beginnen und seine ersten Loslass-Erfahrungen zu sammeln.

Sehr persönliche Erinnerungen wie etwa alte Fotografien sollten eher aufbewahrt werden.


Fühle ich Freude?

Man lege also alle Kleider – ja, alle! – auf einen Haufen. Ein ziemlicher Schock sei dies für viele, denn man merke dann erst einmal konkret, wieviel man besitze. Danach solle man sich jedes Stück einzeln vornehmen, in die Hand nehmen – ein taktiler Reiz sei wesentlich – und sich fragen: Macht mich dieser Gegenstand froh? Dieses Glücks-Kriterium ist das Herzstück ihrer Methode.

«Ordnung mag glücklich machen, aber Dinge, die uns an schöne Zeiten erinnern, können uns auch in einer schweren Stunde aufmuntern.»


Umgebe dich mit Gegenständen,
die dir am Herzen liegen, so ihr Credo

Finde Gegenstände in deinem Haushalt, die du gern behalten willst. Beim Aufräumen sollten wir nämlich nicht nur ans Wegwerfen denken, denn damit tue man sich keinen Gefallen. Denken wir aber an das, was wir gerne um uns haben wollen, motivierten wir uns. Schliesslich sei es wohltuend, an einem Ort zu leben und zusammen mit Gegenständen, die Freude bereiteten. So können also die Sammlung alter Fotografien, der uralte Rucksack vom Grossvater oder die Uhr aus Kopenhagen, die mich an die Reise vor 20 Jahren erinnert, getrost bleiben. Das Loslassen kann leichter sein, wenn wir uns klarmachen, dass wir mit dem Weggeben von Gegenständen anderen Freude bereiten, während sie bei uns ja nur herumliegen und uns eher belasten. Auch die Überlegung, ob ich diesen Gegenstand heute noch kaufen würde, kann das Loslassen erleichtern. Eine weitere positive Anregung gibt die Expertin den Aufräumwilligen noch mit auf dem Weg. So sollte man beim Loslassen des Gegenstandes einen Moment innehalten, sich Zeit nehmen und sich bei dem Gegenstand bedanken. Und all die Erinnerungen, die damit verknüpft sind, wertschätzen. Man solle sich mit Respekt verabschieden.

Es fragt sich, ob so ein radikales Vorgehen für alle stimmt. Aber, manchmal braucht es drastische Massnahmen, um aus dem alten Trott und Denkmustern heraus zu kommen. Was auch logisch klingt, ist ein weiterer Tipp von Marie Kondo: Man solle keine Dinge behalten, deren Existenz man vergessen habe. Man schätze dann auch gar nicht mehr deren Wert – warum dann noch behalten?

Anfangen! Aber, was tun, wenn man sich bei manchen Gegenständen einfach gar nicht entscheiden kann, was damit passieren soll? Dann gibt es eine Schonfrist, so rät die Aufräum-Expertin Nicole Weiss in ihrem Buch (siehe Kasten): Indem man diese Dinge in einen Karton packt und für einen gewissen Zeitraum in den Keller oder in die Garage stellt. Nach einigen Wochen kann man sich diese Kiste wieder vornehmen. Wenn man sie bis jetzt nicht gebraucht oder vermisst hat, oder man nach Kondo-Methode wieder feststellt, dass es einem keine Freude bereitet, kann es getrost weg.


Erinnerungen an schöne Zeiten

Radikal und allzu voreilig vorzugehen, kann allerdings auch einen negativen Effekt haben. Denn wir finden uns selbst in den Dingen wieder, die uns umgeben. Ein tiefes Bedürfnis in uns Menschen ist es, sich an etwas zu erinnern und Erinnerung in Objekten zu speichern. So schreibt der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi, dass sich in Gegenständen die Persönlichkeit ihrer Eigentümer*innen manifestiere. Sie binden uns ein in die Gegenwart, sind Erinnerungen an die Vergangenheit und können auch gute Wegweiser in die Zukunft sein. Die Objekte lieferten konkrete Anhaltspunkte über den Stand, der Leute, die sie besitzen in der Gesellschaft.

Wie in allen Dingen des Lebens ist es sicher auch hierbei gut, die «goldene Mitte» zu wählen: Weder Horten noch zu radikal Wegwerfen. Ordnung mag glücklich machen, aber Dinge, die uns an schöne Zeiten erinnern, können uns auch in einer schweren Stunde aufmuntern. «Ohne Objekte, die mich erden, die mir Freude machen, würde ich womöglich haltlos davontreiben im Strom des Bewusstseins», schreibt die Autorin Lee Randall im Magazin «Geo.de».


Eine Richtschnur fürs Ausmisten     


Bestandesaufnahme

Wo sind «Problemzonen»? (unnütz, kaputt, Chaos-Ecke, total überfüllte Schränke usw.)

Fotos machen
Es kann hilfreich sein, von einzelnen Zimmern Fotos zu machen,  um störende Dinge oder das Chaos, das «Zuviel» besser zu erkennen. Denn vieles, was man im Alltag übersieht, ist auf Fotos klar erkennbar. Mit diesen «Vorher-Fotos» kannst du deine Fortschritte später deutlich sehen –  das motiviert.

Zweck und Nutzung einzelner Räume festlegen
Wie nutze ich diesen Raum oder diese Ecke im Haus? Man kann sich ein Idealbild vorstellen, wie der Raum aussehen soll und was dort stattfinden soll. Wenn im Wohnzimmer viel gelesen oder Gäste empfangen oder zusammengespielt wird, gehören dort sicher alle Bücher und Spiele hin.

Mit grossen Sachen anfangen
Wird jedes Möbelstück noch genutzt? Oder gibt es Stücke, die da sind, aber keine Funktion mehr haben? Vielleicht braucht es gar keinen Sofatisch, dafür mehr Platz für die Kinder zum Spielen.

Drei Kisten zum Sortieren
Zum Entrümpeln ist es ratsam, drei Kisten bereitzustellen. In die erste Kiste gehören Dinge, die da bleiben sollen. In die zweite Kiste Gegenstände, die an einen anderen Platz gehören und in die dritte Kiste die Dinge, die weg sollen.

Nach dem Sortieren erhalten alle Objekte, die da bleiben, einen festen Platz. Dinge, die benutzt werden, bekommen die beste Position, Sachen die selten benutzt werden, kommen weiter nach hinten oder auf den Dachboden.

Gleiches zu Gleichem
Schuhe an einem Ort, alle Bastelmaterialien an einem Ort,  Bücher an einem Ort – diese Ordnung hilft, auf einem Blick zu sehen, wieviel man von einer Sache besitzt. Man behält besser den Überblick und kauft nicht noch mehr davon oder sogar etwas, was man schon besitzt.

Entscheiden
Zuletzt wird entschieden, was mit den Gegenständen passieren soll, die weg sollen: Spenden, verkaufen, verschenken, entsorgen oder recyceln.

Wichtig: Nicht von Raum zu Raum springen. Erst einen Bereich fertig machen! Das Ziel sollte sein, so viele Dinge wie möglich in die «Kommt-Weg-Kiste» zu geben. Wichtig ist auch, das zu Ende zu bringen, was angefangen wurde, bevor ein neues Projekt angegangen wird. Das aktuelle Projekt ist erst beendet, wenn alles, was bleibt, an seinem Platz ist, und wenn alles, was geht, aus dem Haus ist.

(Aus dem Buch «Familie minimalistisch» von Nicole Weiss)

 

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